Industriestrompreis 2026: 5-Cent-Mythos für den Mittelstand?

    Veröffentlicht: 19. November 2025

    Ab 2026 soll ein Industriestrompreis von ca. 5 Cent/kWh kommen. Doch längst nicht jeder Mittelständler profitiert. Einordnung, Fakten & To-dos für produzierende Unternehmen. 

    Am 13. November 2025 hat die Bundesregierung im Rahmen des Koalitionsausschusses beschlossen, ab dem Jahr 2026 für bestimmte energieintensive Unternehmen einen sogenannten „Industriestrompreis“ von etwa 5 Cent pro Kilowattstunde ins Spiel zu bringen. 

    Für wen gilt der 5-Cent-Strom? 

    Auch wenn in vielen Medien von einer flächendeckenden Entlastung gesprochen wird, kommt nach aktuellen Analysen und politischen Papieren der Industriestrompreis nur einem relativ kleinen Kreis zugute – Unternehmen, die derzeit unter Berücksichtigung von aktuellen Vergünstigungen einen Preis von durchschnittlich ca. 10 ct/kWh zahlen: 

    • „stromintensive Unternehmen im internationalen Wettbewerb“, etwa Stahl, Grundstoffchemie, Metall, Glas, Batteriezellenfertigung, Lebensmittelverarbeitung 
    • die Grundlage für die Berechtigung zur Unterstützung könnte entweder auf der Strompreiskompensation oder der EU Carbon-Leakage-Liste fußen und damit zwischen rund 300 bis 2000 Unternehmen inkludieren, die ein "erhebliches Verlagerungsrisiko" mit sich bringen* 

    * Diese Definition entspricht den Sektoren der Anlage 2, Liste 1 des Energiefinanzierungsgesetzes (EnFG) – also den Unternehmen mit „erheblichem Verlagerungsrisiko“ gemäß der BesAR-Liste 1  

    Weite Teile des Mittelstands (Maschinenbau, klassische Automobil-Zulieferer etc.) liegen beim Energiekostenanteil oft nur im unteren einstelligen Prozentbereich der Bruttowertschöpfung - und fallen damit nach vielen Experteneinschätzungen nicht automatisch ins Kernziel des Instruments. 

    Zudem wichtig: Der Industriestrompreis ist noch kein fertiges Gesetz, sondern ein politischer Beschluss, der:

    1. in Gesetzestexte gegossen werden muss und
    2. von  der EU-Kommission nach dem neuen Beihilferahmen für den „Clean Industrial Deal“ (CISAF) genehmigt werden muss.

    EU-Vorgaben: Drei Jahre, Reinvestitionspflicht, begrenzte Förderhöhe  

    Dabei setzt der EU-Beihilferahmen CISAF harte Leitplanken: 

    • Befristung: eine Entlastung gibt es für maximal drei Jahre (2026–2028).  
    • Die Beihilfe darf höchstens 50 % des jährlichen Stromverbrauchs eines Unternehmens umfassen. Der Entlastungsbetrag darf dabei maximal 50 % des durchschnittlichen jährlichen Großhandelspreises für Strom in Deutschland betragen.  
    • Gleichzeitig darf der ermäßigte Preis für den beihilfefähigen Verbrauch nicht unter 50 EUR/MWh liegen. 
    • Reinvestitionspflicht: Unternehmen müssen mindestens 50 % der Förderung in Dekarbonisierung investieren (Effizienz, Elektrifizierung, Eigenerzeugung etc.). 
    • Adressatenkreis: Fokus auf wenige, stark stromintensive Branchen mit hohem Carbon-Leakage-Risiko.

    Für den Mittelstand bedeutet der neue Industriestrompreis also nicht automatisch einen Strompreis von 5 Cent/kWh ab 2026 – vielmehr handelt es sich um eine gezielte Entlastungsmaßnahme für bestimmte, oft große Energieverbraucher. 

    Auch wenn ein Großteil des verarbeitenden Gewerbes nicht unter die neuen Entlastungen fallen wird, stellen die Energiekosten mehr denn je einen Wettbewerbsfaktor da, wenn gleichzeitig Löhne, Rohstoffe und CO2-Preise steigen. 
    Gerade für energieintensive KMU, die nicht in die eng definierten Beihilfekategorien fallen, bleibt Energie ein strategisches Steuerungsfeld. 

    Wenn Sie wissen möchten, wie Sie mit dem Energiemonitoring- und CO2-­Managementsystem von Enit Ihren Strompreis strukturieren, Kostenbestandteile identifizieren und gezielt entlastende Maßnahmen ableiten und umsetzten, sprechen Sie uns gern an.

    Was sollten mittelständische Produktionsbetriebe jetzt konkret tun?

    Stromrechnung 2026 aktiv verhandeln  

    • Lieferverträge prüfen: Werden Netzentgelt- und Steuerentlastungen 1:1 weitergegeben?  
    • Ausschreibungen / Vertragsverlängerungen nutzen, um neue Preisniveaus & Produkte (z. B. dynamische Tarife, Tranchenmodelle) einzupreisen.  
    • perspektivisch PPAs mit erneuerbaren Erzeugern 

    Transparenz schaffen: Energiemonitoring & Lastspitzen  

    • Lastgänge auswerten (15-Minuten-Profile, Lastspitzen, Standby-Verbräuche).  
    • Große Verbraucher (Öfen, Druckluft, Kühlung, E-Ladeinfrastruktur) separat messen und bewerten.  

    Flexibilität aufbauen: Lastmanagement & Eigenversorgung  

    • Prüfen, welche Lasten verschiebbar sind (z. B. Kühlhäuser, Speichertrockner, E-Flotte, Speicher).  
    • Lastmanagementsysteme einsetzen, um Lastspitzen zu kappen und flexible Verbraucher an Preis- und Netzsignale zu koppeln.  
    • Optionen für Eigenstrom: PV, Speicher 

    Dekarbonisierungspfad vorbereiten  

    • Regulatorik (CSRD) und Kundenforderungen erhöhen den Druck, CO2-Emissionen transparent zu machen und zu senken. Eine optimierte Produkt-CO2-Bilanz (PCF) beispielsweise kann im Wettbewerb den entscheidenden Vorteil bringen. 
    • Investitionen in Effizienz, Prozesswärme-Elektrifizierung, Abwärmenutzung, Eigenstrom rechnen sich umso besser, je mehr Strom- und CO2-Preise steigen.  

    Was sich also festhalten lässt 

    Der Industriestrompreis 2026 ist kein 5-Cent-Geschenk für den gesamten Mittelstand, sondern ein begrenztes Kriseninstrument für wenige tausend energieintensive Unternehmen – befristet, investitionsgebunden und EU-rechtlich eingehegt. Für den Rest, also für den Großteil der mittelständischen Produktionsbetriebe, zählt 2026 vor allem:  

    • Netzentgelt-Entlastung,  
    • dauerhaft niedrigere Stromsteuer, 
    • und vor allem das, was im eigenen Werk passiert: Lastprofil, Effizienz, Flexibilität und Dekarbonisierung. 

    Schon die ersten beiden hier genannten Punkte führen in ihrer Kombination zu einer Entlastung von 2-4 ct/kWh. Welche Einsparpotenziale Sie in Ihrem Betrieb mithilfe eines intelligenten Energie- und Lastmanagements haben (konkret: wie viele Tausende Euro Sie jedes Jahr einsparen können), besprechen wir sehr gern mit Ihnen in einem persönlichen, unverbindlichen Gespräch.  

    ➡️ Hier direkt einen Termin buchen oder unser Kontaktformular ausfüllen.

     

    Mann der im business outfit eine Treppe hoch läuft

    FAQs zum Industriestrompreis 2026

    Fragen, die sich viele Mittelständler stellen
    • Es gibt einen politischen Beschluss der Koalition, aber Gesetze und EU-Genehmigung stehen noch aus. Stand heute ist die Einführung zum 01.01.2026 das Ziel, aber wie der Industriestrompreis in der Praxis umgesetzt werden soll, ist derzeit noch unklar.
    • Nein. Der Industriestrompreis richtet sich an einen eng definierten Kreis energieintensiver Unternehmen im internationalen Wettbewerb. Die meisten Mittelständler profitieren eher von Netzentgelt- und Steuerentlastung, nicht vom 5-Cent-Tarif selbst.
    • Gerade jetzt! Die Entlastungen senken zwar das Preisniveau etwas, aber: Strom bleibt im internationalen Vergleich relativ teuer und volatil. In der Verbrauchsgruppe von 2-20 GWh/a bezahlen deutsche Unternehmen im ersten Halbjahr 2025 im Schnitt 19,3 ct/kWh während der EU-Schnitt bei 16,4 ct/kWh lag. Durch die temporäre Netzentgeltreduktion für 2026 und die Reduktion der Stromsteuer nähert sich der produzierende Mittelstand dem EU-Durchschnitt an. Strom bleibt jedoch auf absehbare Zeit ein Kostenfaktor, denn der Investitionsbedarf zur europäischen Energie-System-Transformation ist riesig. Zudem ist ein Energiemanagement nach ISO 50.001 Voraussetzung für die Befreiungen.
    • Nach heutigem Stand von 2026 bis 2028 – länger erlaubt es der EU-Beihilferahmen CISAF nicht.
    • Ja, Unternehmen müssen voraussichtlich mindestens 50 % der Förderung in Dekarbonisierungsmaßnahmen reinvestieren (Effizienz, Elektrifizierung, Eigenerzeugung etc.). Der genaue Prüfmechanismus ist noch unklar, aber politisch gesetzt.

    Quellen

    1 Website der Bundesregierung, aufgerufen am 19.11.25  https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/senkung-energiepreise-haushalt-2358526 

    2 Handelsblatt Website (unter Agentur-Meldungen), aufgerufen am 19.11.25  https://www.handelsblatt.com/dpa/industrie-entlastung-reiche-kuendigt-industriestrompreis-ab-2026-an/100170883.html 

    3 Website der ZEIT ONLINE GmbH, aufgerufen am 19.11.25  https://www.zeit.de/politik/deutschland/2025-11/industriestrompreis-koalitionsausschuss-bundesregierung-ticketsteuer 

    4 Website der Science Media Center Germany gGmbH, aufgerufen am 19.11.25  https://www.sciencemediacenter.de/angebote/was-ist-vom-geplanten-industriestrompreis-zu-erwarten-25211 

    5 Website der ISPEX AG, aufgerufen am 19.11.25  Industriestrompreis: Einführung ab 01.01.2026 angekündigt - ISPEX 

    6 Website "Gesetze im Internet", herausgegeben von Bundesrepublik Deutschland,
    vertreten durch die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, aufgerufen am 19.11.25  
    https://www.gesetze-im-internet.de/enfg/anlage_2.html