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Algorithmen statt Unterzähler - Betriebszustandserkennung auf der Basis aggregierter Lasten

Durch Non-Intrusive Load Monitoring können Betriebszustände mit Hilfe von Algorithmen errechnet werden.

Was ist Non-Intrusive Load Monitoring (NILM) eigentlich?

NILM lässt sich mit nicht intrusiver Lastüberwachung übersetzen. „Nicht intrusiv“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass man es vermeidet, tief in das System einsteigen zu müssen. Das kann man sich so vorstellen: Anstatt jeweils einen Stromzähler für Maschine 1, Maschine 2, den Verkaufsraum und das Büro zu installieren, will man lediglich die Daten eines zentralen Zählers im Traforaum auswerten, aber dieselbe Menge an Informationen gewinnen. Man versucht also die Last einzelner Verbraucher aus der aufsummierten (aggregierten) Last vieler Verbraucher herauszulesen, auch Lastdisaggregation genannt. Die Aufschlüsselung dieser Lasten ist deshalb möglich, da jeder Verbraucher einen „elektrischen Fingerabdruck“ hinterlässt, welcher sich beispielsweise durch unterschiedliche kapazitive und induktive Eigenschaften ergibt. Durch die Nutzung von nur einer Messstelle bietet NILM den großen Vorteil, dass man auf teure Unterzähler und den dazugehörigen Installations- und Auswertungsaufwand verzichten kann.

Machine Learning zur Unterscheidung der Verbraucher

Bisherige Ansätze für NILM konzentrieren sich hauptsächlich auf die Anwendung im Haushaltsbereich, wobei man es häufig mit überschaubaren Systemgrößen und nicht komplexen Verbrauchern zu tun hat. Zur Erkennung dieser setzt man auf Data Analytics mit Hilfe von Machine Learning Algorithmen. Diese analysieren elektrotechnische wie auch nicht technische Parameter, bilden entsprechende Entscheidungsregeln und identifizieren somit die Verbraucher eines Systems. Die einfachste Unterscheidung kann auf Basis von Wirk- und Blindleistung getroffen werden. Dabei werden Datenpunkte in eine P-Q-Ebene eingetragen und entsprechende Cluster gebildet. Bei der Erkennung neuer Datenpunkten wird geschaut, welchem Cluster diese am nächsten liegen und somit der entsprechende Verbraucher zugeordnet. Die Herausforderung besteht darin, Unterscheidungsmerkmale für solche Geräte zu finden, die überlappende Eigenschaften besitzen. Dies gestaltet sich besonders im industriellen Umfeld schwierig, da sich Anlagenparks häufig aus vielen ähnlichen Maschinen zusammensetzen.

Clustering auf Basis von Wirk- und Blindleistung
Clustering auf Basis von Wirk- und Blindleistung

Betriebszustandserkennung mit Hilfe der aggregierten Last

Da der Lastverlauf von Anlagen und Maschinen neben dem Energieverbrauch auch Informationen über deren Betriebszustand liefert, liegt der Gedanke nahe, dass man mit Hilfe des NILM-Ansatzes eine Betriebszustandserkennung auf Basis aggregierter Lasten realisieren kann. Im Rahmen einer Abschlussarbeit wurde deshalb die Anwendbarkeit zweier Algorithmen für eine Betriebszustandserkennung einer Anlage untersucht. Als Anwendungsfall diente der Tiefgreifer-Kran eines Kieswerks, welcher Gestein vom Grund eines Sees auf Boote verlädt und durch die Zustände „hochfahren“, „runterfahren“ und „aus“ charakterisiert wird. Die Algorithmen bestimmen aus den Energie-Zeitreihen-Daten des Übergabezählers, welche mit dem ENIT Agent erfasst und gespeichert werden, den Zustand des Tiefgreifers.

Informationen aus den Vorhersageergebnissen

Die Vorhersageergebnisse beider Algorithmen zeigen, dass sich die Zustände unterschiedlich gut bestimmen lassen und man verschiedene Informationen aus ihnen gewinnen kann. So wird erkennbar, wie viele Boote pro Tag beladen werden und wie lang jede Beladung dauert. Das kann beispielweise Aufschluss über die Gegebenheiten am Grund des Sees liefern. Es zeigt sich jedoch auch, dass es immer wieder zu Fehlbestimmungen kommt und die Vorhersagegenauigkeit beider Algorithmen begrenzt ist.

Unterzähler auch in Zukunft wichtig

Einerseits lassen sich aus den Zustandsvorhersagen spezifische Informationen gewinnen, die zur gezielten Optimierung von Prozessen beitragen können. Andererseits ist die Berechnung robuster Machine Learning Modelle mit viel Aufwand verbunden: Es bedarf weiterhin der Unterzähler, um die Modelle zu trainieren, und es müssen große Datenmengen verarbeitet werden, um zuverlässige Vorhersagen zu garantieren. Weiterhin sind die Modelle speziell auf ein Unternehmen angepasst, was die Übertragbarkeit auf weitere Unternehmen ausschließt. Die Forschung im Bereich NILM muss deshalb auch verstärkt den Fokus auf unsupervised Learning Methods setzen, um eine Übertragbarkeit auf viele Unternehmen zu ermöglichen.

Der Aufwand für den Bau der Machine Learning Modelle steht derzeit in noch keinem wirtschaftlichen Verhältnis zum generierten Mehrwert. Damit zeigt sich, dass es im Bereich NILM, insbesondere für den industriellen Anwendungsbereich, noch viel Forschungsarbeit bedarf und die Nutzung von Unterzählern für ein gezieltes Energiemanagement weiterhin der effizienteste Lösungsweg ist.

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